1980

Die Entstehung von Mitgestalter-Legenden

Wenn Schaltgabeln von Europa nach China exportiert werden

Der Einfluss von Mc Gregor und Townsend ermutigt eine Reihe von  Führungskräften, Mitgestalter-Organisationen nach der Theorie-Y aufzubauen. Viele von ihnen werden zu regelrechten Legenden, ihre Unternehmen zu Best-Practice-Beispielen der Harvard Business Review. Zwei von ihnen beeinflussen die Mitgestalter besonders nachhaltig:

Richard Teerlink, der 1981 Vorstand des angeschlagenen Motorradherstellers Harley Davidson wird und Jean-Francios Zobrist, der 1983 als Geschäftsführer des mittelständischen nordfranzösichen Metallverarbeiters FAVI antritt. Beide finden ähnliche Ausgangslagen in Form von überalterter Technik, demotivierten Mitarbeitern und schwerfälligen Theorie-X-Bürokratien vor.

 

Zobrist, ehemaliger Fallschirmspringer und Metallurge, erinnert sich an seine Anfangszeit: „Das FAVI-Organigramm sah wie das jeder anderen Firma aus. Es zeigte, wer wem sagt, wie er seinen Job zu tun hat und wie die Autoritätslinien verlaufen. Eines Tages bemerkte ich jedoch, dass es noch eine zweite, sehr versteckte Art von Information enthielt: Der Mensch ist nicht intelligent. Warum sonst sollte die Firma so viele Überwacher einstellen, die anderen sagten, wie sie den Job machen sollten, den sie täglich hunderte von Malen wiederholten? 

Wenige Tage später hält Zobrist vor den Mitarbeitern seine legendäre Weihnachtsansprache:

„Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass Menschen Euerer Qualität weder Möhren von vorne, noch Stöcke von hinten benötigen. Möhren und Stöcke sind für Profis wie Euch unwürdig. Deshalb werden wir als erstes nach dem Weihnachtsurlaub die Uhren entfernen. Ihr werdet nicht dafür bezahlt, Stunden zu machen, sondern gute Produkte.“

Nach den Weihnachtsferien beruft Zobrist sein erstes und letztes Manager-Meeting ein und verkündet, dass ihre traditionelle Managementrolle, nämlich den Leuten zu sagen, wie sie arbeiten sollten, sie zu kontrollieren, belohnen und zu bestrafen, vorbei ist. Von jetzt an sollten Manager anderen dabei helfen, sie beraten und unterstützen, um ihre Ergebnisse besser selbst bewerten zu können. Anstelle der mittleren Führungsebene bricht er die Fabrik auf etwa 20 selbstführende „Minifabriken“ herunter, die für jeweils ein einzelnes Produkt oder einen einzigen Kunden zuständig sind.

Jede Minifabrik wird wie ein selbstständiges Unternehmen nach seinen Ergebnissen beurteilt und da sie die meisten Unterstützungsfunktionen integriert hat, versuchen die Sprecher erst gar nicht, soviel wie möglich an Budget-Ressourcen von der Firma abzuringen, sondern mit ihrer Einheit einfach nur die besten Resultate zu erzielen.

Die Transformation vom Mitarbeiter zum Mitgestalterunternehmen vollzieht sich nach drei Prinzipien: Zobrist glaubt an „management by people“ nicht an „management by procedures“. Er erkennt an, dass es einige Regeln geben muss, aber er besteht darauf, dass sie von den Leuten selbst aufgestellt werden müssen. Er führt als erstes die „Rückwärts-Delegation“ ein. Alle Autorität geht von den Leuten der Frontlinie aus, nicht von denen weit weg davon. Er eliminiert alles, was Leute davon abhalten kann, einen guten Job zu machen und gute  Ergebnisse für die Firma zu erzielen.

Ein weiteres Prinzip ist seine Einladung, Risiken einzugehen. „Ich handle und dann setze ich mich mit den Konsequenzen auseinander. Wenn eine meiner Handlungen schlechte Ergebnisse bringt, dann verändere ich einfach den Kurs.“ Zobrist erwartet weder von sich, noch von seinen Leuten perfekte Entscheidungen.

In den darauf folgenden 30 Jahren wird kein einziges Teil jemals verspätet ausgeliefert, die Qualität liegt konstant im Bereich six Sigma, die Gewinn-Margen erreichen im gleichen Zeitraum häufiger die 15-Prozent-Marke, die Unternehmensgröße versiebenfacht sich, und das Unternehmen exportiert erfolgreich einfache Getriebe-Schaltgabeln nach China. Niemand wird beim Übergang vom Mitarbeiter zum Mitgestalterunternehmen entlassen, lediglich drei mittlere Führungskräfte verlassen das Unternehmen freiwillig.